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3. Politische AutonomieDer 'Goldene Freibrief' hatte zunächst nur für die Hermannstädter Provinz gegolten, doch dehnten sich die damit verbundenen Privilegien bis 1486 über den gesamten siebenbürgischen Königsboden aus, wodurch ein einheitliches Rechts- und Verwaltungsgebiet, die sogenannte 'natio saxonica', entstand. In ihr war die 'Universitas Saxonum' oder auch 'Sächsische Nationsuniversität' genannt auf politischem, administrativem und rechtlichem Gebiet die oberste Instanz der Sachsen, deren oberster Repräsentant, 'Comes Saxonum - Sachsengraf' ab 1477 gewählt wurde. Der 'natio saxonica' gehörten jedoch nicht die Sachsen auf dem Komitatsboden an, sondern diese unterstanden ihren jeweiligen Grundherren. Im 15. Jahrhundert haben sich somit in Siebenbürgen drei ständische Repräsentationen für die Sachsen (Königsboden), für die Szekler und für den Adel herausgebildet. Die ansässigen Rumänen, die im 14. Jahrhundert noch gleichberechtigt waren, hatten jetzt keine Ständevertretung mehr.Hatten die Sachsen auf dem Königsboden eine politische
Selbständigkeit erreicht, so ging dies auch mit einer sozialen Abgrenzung
gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen einher. Es gab strenge,
verbindliche Kleiderordnungen, die die soziale Stellung und Volkszugehörigkeit
versinnbildlichten. Gesetze verhinderten die Zuwanderung von Fremden, so
daß nahezu ausschließlich innerhalb der geschlossenen Gemeinden
geheiratet wurde. Dies verdeutlicht auch das sächsische Sprichwort,
"daß man nicht 'über Hattert', das heißt nicht über
die Grenzen der Gemarkung hinaus heiraten soll." (Annemie Schenk:
Deutsche in Siebenbürgen. Ihre Geschichte und Kultur. München
1992. S.142) Ehen zwischen Angehörigen verschiedener
Gruppen erfuhren Sanktionen und Isolation durch beide Seiten. Die Angst
vor dem 'fremden Element' kommt auch durch die sächsische Redensart
zum ausdruck, daß das "Brot aus dem Heimatdorf besser sei als 'Hanklich'
- ein flacher Kuchen aus Hefeteig mit verschiedenen Belägen wie zum
Beispiel gequirlten Eiern und Rahm - aus der Nachbargemeinde". (Annemie
Schenk: Deutsche in Siebenbürgen. Ihre Geschichte und Kultur. München
1992. S.144) Nicht nur in dörflichen Gemeinden, sondern
auch in den Städten Siebenbürgens versuchte man die bestehenden
Strukturen zu bewahren, welche besonders am Beispiel von Hermannstadt deutlich
wird. In der damals zweitgrößten Stadt Siebenbürgens waren
am Ende des 17. Jahrhunderts nahezu 99% deutschstämmig. Reguliert
wurde dies unter anderem durch strenge Zunftreglementierungen und den Auflagen,
die mit dem Erwerb eines Wohnhauses zusammenhingen.
Zum Deutschen Reich rissen die kulturellen Beziehungen letztlich nicht völlig ab. Bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es die 'Wanderjahre' des Handwerks, für die das bevorzugte Ziel der deutschsprachige Raum war. Außerdem existierte in Siebenbürgen keine Universität, weshalb man zum Studium ins Deutsche Reich ging. Durch diese temporären Wanderungen blieb ein gewisser kontinuierlicher Kontakt zum Deutschen Reich bestehen, der eine kulturelle 'Verflechtung' mit diesem bewirkte. Das Zurückdrängen der türkischen Expansion,
eingeleitet durch die Abwehr der osmanischen Belagerung von Wien 1683,
führte zur Eingliederung Siebenbürgens in die habsburgische Herrschaft.
Auch wenn Kaiser Leopold I 1691 im 'Leopoldinischen Diplom' alle alten
Landesrechte und damit alle Vorrechte der drei ständischen Nationen
und die Religionsfreiheit noch bestätigte, so begann mit dem habsburgischen
Machtanspruch auch das allmähliche Ende des siebenbürgischen
Landtages und damit der relativen Selbständigkeit der Region.
Kaiser Josef II (1780-1790) versuchte durch aufklärerische Reformen "eine siebenbürgische 'Einheitsnation' zu schaffen, um damit den 'Nationsgehässigkeiten' den Boden zu entziehen." (Annemie Schenk: Deutsche in Siebenbürgen. Ihre Geschichte und Kultur. München 1992. S.124) Die Gewährung des allgemeinen Bürgerrechtes bedeutete, daß der ausschließliche Besitz- und Bürgerrechtsanspruch der Sachsen des Königsbodens aufgehoben wurde. Ungarn und Rumänen waren jetzt den Sachsen gleichgestellt und konnten in deren Siedlungen ungehindert ansässig werden. Die jahrhundertealte, privilegierte Sonderstellung eines Teils der sächsischen Minderheit in Siebenbürgen, die zu diesem Zeitpunkt etwa 10% der Landbevölkerung ausmachte, war nun nicht mehr länger garantiert. In der 1867 entstandenen Doppelmonarchie wurde Siebenbürgen
ein Teil des ungarischen Königsreiches. In ihm vrlohren die Sachsen
"ihre Stellung als eine der staatstragenden Nationen Siebenbürgens
mit eigener Gebietskörperschaft (Nationsuniversität) (...) endgültig".
(Annemie Schenk: Deutsche in Siebenbürgen. Ihre Geschichte
und Kultur. München 1992. S.126) Sie begannen sich nun
nicht mehr als eine 'ständische Nation', sondern als eine 'ethnische
Gruppe' zu fühlen, die dem deutschsprachigen 'Mutterland', dem Deutschen
Reich verbunden war. Dieser deutsche Nationalismus ist indes nur ein in
die allgemeine Nationalitätenproblematik integriertes Element. Diese
hatte seit dem Ende des Ständesystems alle Volksgruppen in der Region
erfaßt und verhindert seither, daß sich deren Bevölkerung
zu einer einheitlichen Nation entwickelt.
1 Im siebenbürgischen Landtag von 1557 wurden als vollberechtigte Konfessionen die römisch-katholische, die lutherische, die reformierte und die unitarische Kirche anerkannt, während die griechisch-orthodoxe Kirche lediglich toleriert wurde. (zurück) 2 Bis zur heutigen Zeit besitzt die Kirche die zentrale Rolle für den Gruppenerhalt der 'Siebenbürger Sachsen'. Dieser Aufgabe ist sie sich durchaus bewußt. Dies geht unter anderem daraus hervor, daß die Auswanderung von Pfarrern nur mit Billigung der hermannstädter Kirchenleitung geschah, wenn zwingende politische oder familiäre Gründe vorlagen. Diese restriktive Haltung gab man erst im Zuge der allgemeinen Ausreisewelle 1990 auf. Da seit jener Zeit der Fortbestand der ev. Kirche A.B. in Rumänien gefährdet ist, wurde von Seiten der bischöflichen Leitung die Idee generiert, die traditionell deutsche Kirche auch für Rumänen zu öffnen. (zurück) 3 Eine Art bäuerliche Fluchtburg, in die sich bei Gefahr die gesamte Gemeinde zurückziehen konnte. In ihr war ein temporäres Wohnen während räuberischer oder militärischer Bedrohung möglich. (zurück) |
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