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4. Entwicklung 1870 bis 1930

Die europäische Migrationsbewegung erfaßt im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auch die Bewohner Siebenbürgens. Im Zeitraum von 1870 bis zum ersten Weltkrieg verließen etwa 50.000 Siebenbürger Sachsen ihre bisherige Heimat. Die Hauptgründe waren wirtschaftliche Not und die Verlockungen der 'Neuen Welt', wobei vor allem die USA und Kanada zu Zielen ihrer Emigration wurden. Auch nach dem Ersten Weltkrieg besteht weiterhin eine Kontinuität in der Auswanderung nach Nordarmerika.  

Mit dem Zusammenbruch der habsburger Doppelmonarchie geht eine Expansionspolitik Rumäniens einher. Mit dem Friedensvertrag von Trianon wird 1920 Siebenbürgen offiziell Teil des Rumänischen Staates. Auf internationaler Ebene wurde 1918 mit den 'Karlsburger Beschlüssen' ein Minderheitenschutz vereinbart, deren Einhaltung durch die Kontrolle des Völkerbundes gewährt werden sollte. In den Karlsburger Beschlüssen proklamierte man "volle nationale Freiheit für alle mitwohnenden Völker". "Jedes Volk", so waren die illusionistischen, nationalen  Vorstellungen, "wird sich in seiner eigenen Sprache unterrichten, verwalten und richten, und zwar durch angehörige des eigenen Volkes. Jedes Volk wird das Recht haben, in den gesetzgebenden Körperschaften und in der Regierung des Landes gemäß der Zahl der Menschen, aus denen es sich zusammensetzt, vertreten zu sein." (Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.): Das Schicksal der Deutschen in Rumänien. München 1957. Neudruck 1984. S. 27.) Die rumänische Regierung  erkannte diese Beschlüsse jedoch nicht als staatsrechtlich bindend an.  

Das für die Siebenbürger Sachsen folgenreichste Ereignis in dem neuen Staatsgefüge war eine Landreform, durch die der Grundbesitz neu verteilt wurde. Der Rumänische Staat versuchte damit den enormen sozialen Konflikten entgegenzuwirken, die in der Diskrepanz einer besitzenden Minderheit und einer besitzlosen Mehrheit lag und die in Siebenbürgen nicht zuletzt auch Resultat einer jahrhundertelanger Rechtlosigkeit der rumänischen Bevölkerung war. Mit der Reform verloren die vorwiegend landwirtschaftlich organisierten Sachsen einen Großteil ihrer Agrarflächen und damit die Basis ihrer wirtschaftlichen Vormachtstellung in der Region. Die Enteignung betraf beispielsweise bei der evangelischen Kirche etwa 55% ihrer Ländereien, was zu großen finanziellen Problemen bei den Gemeideaufgaben führte. Hierzu gehörte in Siebenbürgen auch die Schulausbildung, die traditionell von den Kirchen übernommen wurde. Zum Erhalt der evangelisch-sächsischen Schulautonomie erhob man nun Schul- und Kirchensteuern. 
Die drastische Verschlechterung der Existenzgrundlage der Siebenbürger Sachsen führte zu einer politischen Radikalisierung und der Annäherung zum deutschen Nationalsozialismus. Die Zeit des totlitären Nationalsozialismus markiert die Wende in der Siedlungsgeschichte der Rumäniendeutschen. Hatten bisher seit der Mitte des 19. Jahrhunderts  nur 'wenige' Siebenbürgen verlassen, so begann nun ein Prozess der als 'Finis Saxonia' - als Ende der Siebenbürger Sachsen - bezeichnet wir und der vor allem durch die Öffnung der Grenzen 1989 an Dynamik gewann. 

1930 wurde die erste allgemeine Volkszählung in Rumänien durchgeführt. Hiernach lebten in Siebenbürgen 2.874.641 Menschen, von denen 8,2% (nach Nationalität: 237.416 Menschen / nach Muttersprache: 237.881 Menschen) der deutschen Volksgruppe zugehörig waren. (1) Nach einer Statistik des 'Arbeitskreis für siebenbürgische Landeskunde' lebten Anfang 1991 nur noch etwa 33.000 Rumäniendeutsche in Siebenbürgen, was weniger als 1% der dort lebenden Bevölkerung entsprach. Die Migrationsbewegungen zwischen diesen beiden Eckdaten lassen sich in zwei Hauptgruppen gliedern. Die erste läßt sich als 'Kriegsmigration' bezeichnen und ist bezogen auf die unmittelbar mit dem zweiten Weltkrieg zusammenhängenden Wanderungen. Die zweite Gruppe ist als 'Aussiedlung' zu benennen. Sie ist keine unmittelbare Folge der Kriegsereignisse und es wird die siebenbürgische Heimat in der Regel für immer verlassen.  


1 1930 lebten in Rumänien insgesamt 18.057.028 Menschen, von denen 745.421 Menschen deutscher Nationalität waren, wobei 760.687 Menschen deutsch als ihre Muttersprache ansahen. (zurück
 
 
 
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